Angedacht im Juli

Niemand blieb ungerührt. Noch heute spüre ich die Atmosphäre im Raum. Dabei ist es fast drei Jahre her. Unserer Gemeinde hat ein Willkommens-Kaffee für Geflüchtete aus der Ukraine veranstaltet. Nachdem der Kantor zwei Lieder angestimmt hatte, setzte sich ein älterer Mann an den Flügel und sang auf ukrainisch ein Lied, dessen Melodie allen vertraut war. Es war der israelische Gesang Hine Ma Tov. Diese Melodie verband alle im Raum und es flossen Tränen. Tränen der Trauer, Tränen der Sehnsucht, Tränen der Verbundenheit.

 

Sorgt euch um nichts, sondern bringt in jeder Lage betend und flehend eure Bitten mit Dank vor Gott. Philipper 4,6 Dieser #monatsspruch wird uns in einer Zeit tiefer Verunsicherung zugesprochen. In der Ukraine ist kein Frieden in Sicht, die Konflikte im Nahen Osten weiten sich aus, alte Bündnisse drohen zu zerbrechen. Viele Gründe zur Sorge. All das soll man einfach vor Gott bringen und sich nicht weiter sorgen?

 

Das Bild zeigt ein Fragment aus dem 14. Jahrhundert. Es war verborgen im Einband eines Buches, wo es als Material zur Stabilisierung verwendet wurde. Auf ihm lesen wir die ersten Verse des Johannesevangeliums: Im Anbeginn war das Wort.

Ein wunderbares Bild. Eine wohlbekannte, aber verborgene Botschaft kommt plötzlich wieder ans Licht. Worte, die uns erinnern: Anbeginn und Ende liegen in Gottes Hand.

 

Manchmal sind es solche altbekannten Worte und überlieferte Melodien, die uns Halt geben, wenn wir keinen Ausweg finden. Gerade in Zeiten der Not erinnern sie uns, dass nicht nur wir in Nöten stehen, sondern dass es seit jeher Menschen gab, die vor Gott gebetet, gefleht und gedankt haben. Und dass Gott Halt gibt. So wie an jenem Nachmittag im Gemeindehaus, an dem es keinen Unterschied gab, zwischen ukrainischen und deutschen Tränen.

Mit freundlicher Genehmigung: Stephan Zeipelt / Werkstatt Bibel - oikos Institut

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